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„Zweite Welle trifft uns weit wuchtiger.“

Coronavirus, COVID-19 | Zweite Welle beginnt viel dynamischer. Bereits 39 COVID-19-Patienten. Gewerkschaft sollte, wie versprochen, Streik sofort beenden. Solidarität unter Mitarbeitern ist groß.

„Man muss kein Hellseher sein, um vorhersagen zu können, dass uns die 2. Corona-Welle weit wuchtiger treffen wird als die 1. Welle“, sagte Prof. Dr. Michael Beyer, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Augsburg zu den Mitarbeitern, die sich mit Abstand und Maske im Großen Hörsaal zur Task Force Corona eingefunden hatten. Beyer gab einen kurzen Abriss über die Situation in Europa. Dann gab er die Zahlen aus dem Krankenhaus bekannt: Stand Montagmittag werden am Klinikum 39 COVID-19-Patienten behandelt. Davon müssen acht Patienten intensivmedizinisch versorgt werden, sieben werden beatmet. Hinzu kommen fünf Verdachtsfälle in Abklärung, außerdem drei Personen in der Kinderklinik Augsburg | Mutter-Kind-Zentrum Schwaben. Zum Vergleich: Während der 1. Welle betrug die Höchstzahl an COVID-19-Patienten am Universitätsklinikum 43. „Da waren wir aber schon mittendrin in der Welle“, so Beyer, „jetzt stehen wir erst am Anfang. Die Zahlen sind in den vergangenen Tagen rapide gestiegen.“

Mit der Gewerkschaft ver.di war vereinbart worden, dass der für Montag und Dienstag angesetzte Streik nicht stattfindet, wenn die Zahl der COVID-19-Patienten auf Normalstation die 25 übersteigt oder zehn COVID-19-Patienten auf der Intensivstation betreut werden müssen. Trotzdem die Zahl von 25 COVID-19-Patienten mehr als deutlich überschritten wurde, hat ver.di auf dem Streik bestanden. „Jetzt sollte die Gewerkschaft den Anstand haben, den Streik unverzüglich zu beenden“, gab der Gesamtvorstand bekannt.

Auf SARS-CoV-2 positiv getestete Patienten sowie entsprechende Verdachtsfälle werden auf speziell ausgestatteten Stationen mit Isolationszimmern bzw. auf Intensivstationen behandelt. Aufgrund der aktuellen Entwicklungen wurde bereits die zweite Eskalationsstufe des Pandemieplanes bzw. ein Stufenplan zur Umorganisation umgesetzt. So wurden zusätzlich zur infektiologischen Station in der III. Medizinischen Klinik zwei COVID-19-Normalstationen in Betrieb genommen und eine zweite COVID-19-Intensivstation eingerichtet. Auch Notaufnahme, Labor und Diagnostik wurden der dynamischen Entwicklung entsprechend angepasst. So wurde schon vor geraumer Zeit ein Computertomograph in der Radiologie eigens für COVID-19-Patienten und -Verdachtsfälle angeschafft. Stufe drei ist in Vorbereitung.

„Für den Laien mag das ganz einfach klingen: Wir haben eine Station für COVID-19-Patienten umgewidmet“, sagte Beyer in Anspielung auf Äußerungen vonseiten der Gewerkschaft, Tumorpatienten wegen eines Streiks zu verlegen sei doch kein Problem. „Glauben Sie mir, so einfach ist das eben nicht.“ Personelle Umschichtungen in diesem Ausmaß stellten jedes Krankenhaus, auch eine Uniklinik, vor Herausforderungen, stehe doch die Patientensicherheit immer an oberster Stelle.

Elektive Eingriffe können derzeit noch stattfinden. Beyer rief die Klinikdirektoren jedoch bereits dazu auf, ein Konzept zu erarbeiten, welche elektiven Eingriffe verschoben oder zunächst abgesagt werden können. Dieses Konzept müsse schnell umsetzbar sein, um auf das dynamische Infektionsgeschehen reagieren zu können. Dabei erinnerte Beyer aber nochmal daran, dass elektiv zwar geplant, aber nicht beliebig aufschiebbar bedeute, da es sich häufig um schwer kranke Tumorpatienten handle.

Grund zur Freude gibt es aber dennoch in diesen turbulenten Zeiten für den Gesamtvorstand: Bereits am Freitag hatten sich Ärzte spontan bereiterklärt, mit pflegerischen Tätigkeiten auf den bestreikten Stationen auszuhelfen. Ebenso meldeten sich Mitarbeitende aus dem administrativen Bereich und der Akademie für Gesundheitsberufe, die ursprünglich eine Ausbildung in der Pflege absolviert hatten, am Krankenbett zu unterstützen, wenn es nötig werde. „Das haben wir in der 1. Welle erlebt, und das erleben wir jetzt wieder“, sagte Beyer, „das Klinikum steht zusammen, die Solidarität unter den Kollegen ist groß.“

Am Streik hatten sich übrigens 60 Mitarbeiter beteiligt.