»Spurensuche«

Josefa Britzelmeier-Nann ist katholische Klinikseelsorgerin und war bis zum Ende ihres Berufslebens am Universitätsklinikum tätig. Hier arbeitete sie regelmäßig mit Menschen in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen zusammen, erlebte deren Geschichten und Schicksale. Insbesondere begleitete sie Patienten und deren Angehörige auf der Palliativstation und war ihnen eine große Stütze in einer schweren Zeit. Die tägliche Arbeit und die Begegnungen mit Menschen in außergewöhnlichen Lebenssituationen veranlasste sie, das Schwere im Leben etwas leichter zu nehmen. Aus den vielen überraschenden und berührenden Erlebnissen entwickelte sie im Laufe ihres Berufslebens eine unendlich große Dankbarkeit – sich selbst, dem Leben und den Mitmenschen gegenüber. So prägten Dankbarkeit und Engagement aus tiefstem Herzen, das Fundament allen Handelns.

Aus den Krimis kennen wir das: da bemüht sich jemand möglichst unbemerkt vorzugehen, und dann kommt die Spurensuche und findet doch noch etwas. Unerheblich, ob Sie gerne Krimis schauen oder nicht: Menschen begeben sich auf Spurensuche und blicken zu unterschiedlichen Anlässen auf ihr Leben zurück, sei es für einen Neubeginn, oder für einen Abschied. Wir fragen uns: was bleibt von mir, womit werden sich Menschen an mich erinnern, oder: was möchte ich behalten und in ein neues Leben mitnehmen? Abschied und Neubeginn sind zwei Seiten der gleichen Medaille und beides ist immer auch ambivalent. Wir nennen es das lachende und das weinende Auge. Vieles in unserem Leben verstehen wir erst im Nachhinein. Der Philosoph Sören Kierkegaard sagte: »Verstehen kann man das Leben nur rückwärts, leben muss man es vorwärts.« Es tut trotzdem gut, von Zeit zu Zeit auf Spurensuche im eigenen Leben zu gehen. Sie werden feststellen, da ist bei allen Schwierigkeiten und Verletzungen im Leben, auch sehr vieles, wofür es sich lohnt dankbar zu sein. Dankbarkeit ist das Gedächtnis des Herzens.

VERSTEHEN KANN MAN DAS LEBEN NUR RÜCKWÄRTS, LEBEN MUSS MAN ES VORWÄRTS.

Was mich betrifft: ich blicke zurück mit Dank an das Leben, das mir so vieles gegeben hat. »Gratias a la vida«, ein Lied, gesungen von Mercedes Sosa, kommt mir dabei in den Sinn. Ich danke für alle Begegnungen mit Menschen, die mich geprägt haben, die mich das »Leben pur« spüren ließen. Ich danke für die Augenblicke des Verstehens, wo etwas aufscheint, das größer und weiter ist, als wir es je in Worte fassen können. Ich dank für die Menschen, die ihren Sachverstand und ihre Menschlichkeit gleichermaßen einsetzen zum Wohle der ihnen anvertrauten kranken Menschen. Ich danke für die Einsicht, dass wir nicht unbeschädigt durch das Leben kommen, dass das Leben Spuren hinterlässt, Gebrauchsspuren eben. Ich danke für die Erkenntnis: »das Leben sorgt für dich«. Damit habe ich mich oft aus schwierigen Situationen gerettet. Denn das heißt eben nicht, die Hände in den Schoß legen und abwarten, sondern im Gegenteil: es bedeutet aktiv zu sein, aber in dem Vertrauen, dass ich den Weg, den ich wähle, auch geführt werde. Vielleicht kennen Sie auch die Geschichte von den Spuren im Sand? Margaret Fishback Powers erzählt von einem Menschen, der im Traum auf sein Leben zurückblickt.

Er sieht im Sand immer zwei Spuren: die eigene und eine andere, die er als die Begleitung Gottes deutet. Aber gerade an den schwierigsten Stellen seines Lebens sah er nur eine Spur im Sand und er fragte zu Recht: »Gott, warum hast du mich da alleine gelassen, als ich dich am meisten brauchte?« Die Antwort war, »da habe ich dich getragen.«

Ich danke für die Erfahrung des Getragenund Behütetseins, für so Vieles, was mir das Leben geben hat: Gratias a la vida!

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Seelsorge

Hinweis

Dieser Artikel erschien zu erst in der Ausgabe 2/2021 des Gesundheitsmagazins "GESUNDHEIT ganz groß". Die gesamte Ausgabe finden Sie als PDF-Datei zum nachlesen hier: Ausgabe 2/2021.