Tumorheterogenität

Unterschiedliche Zellen sind eine Herausforderung für Diagnostik und Therapie

Maßgeschneiderte Therapien sind die große Hoffnung im Kampf gegen den Feind im eigenen Körper. Krebs. Keinesfalls immer eine hoffnungslose Diagnose. Die Chancen auf Heilung oder Lebensverlängerung steigen. Doch bevor eine auf die individuelle Erkrankung des Patienten zugeschnittene Behandlungsstrategie gefunden werden kann, muss feststehen, mit wem man es zu

tun hat. »Es ist die Heterogenität der Struktur von Tumoren, die es so schwierig macht, die geeignete Therapie

zu finden«, weiß Professor Dr. Constantin Lapa, Leiter der Klinik für Nuklearmedizin am Universitätsklinikum Augsburg.

Die Zusammensetzung eines Tumors aus unterschiedlichen Zellarten und deren Mutationen wirft viele Fragen auf. Wie genau setzt sich das Tumorgewebe
zusammen? Welche Zellen mit welchen Eigenschaften bedrohen das Leben des Patienten vorrangig? Gibt es bereits Zellabsiedlungen, also Metastasen, und wo befinden sie sich? Viele Fragen, die zu klären sind. Dazu kommt die Dynamik der Erkrankung. Im Therapieverlauf muss geprüft werden, wie die unterschiedlichen Krebszellen auf Chemotherapie oder Bestrahlung reagieren. Wenn Veränderungen festgestellt werden, muss die Therapie angepasst werden.

Vielversprechend in der Diagnostik ist die Arbeit mit mikroskopisch kleinen Helfern

Im Nuklearmedizinischen Zentrum des Universitätsklinikums Augsburg sind diese Mini-Detektive am Werk. Immer dann, wenn Prof. Dr. Constantin Lapa und sein Team ihre »Tracer« auf die Reise schicken, gibt es Anzeichen darauf, dass im Körper eines Patienten etwas nicht in Ordnung ist. Wie winzige Spürnasen durchkämmen radioaktiv markierte Trägersubstanzen verdächtige Bereiche nach Hinweisen auf die Erkrankung. Dort, wo erhöhte Stoffwechselaktivität stattfindet, wird die Spürsubstanz schneller absorbiert als in gesundem Gewebe. Der in der Nuklearmedizin verwendete, hochauflösende PET-Scanner zeichnet die Auffälligkeiten als dunkle, klar umgrenzte Areale auf. Es können Entzündungen sein, die so sichtbar werden. Heilende Knochenbrüche. Aber auch Tumore können so aufgespürt und charakterisiert werden.

Krebszellen haben das Ziel schnellen Wachstums; sie sind nährstoffhungrig. Dieser Hunger wird genutzt, um sie mit nuklearmedizinischem Know-how im Körper ausfindig zu machen. Fluordesoxyglucose, kurz fdg, ist das Zuckermolekül, das sich im Körper auf die Suche nach besonders stoffwechselaktivem Gewebe macht. Der Aminosäurestoffwechsel wird z. B. mit radioaktiv markiertem Methionin, der Fettstoffwechsel mit Cholin durchleuchtet. Schritt für Schritt kann so das Ausmaß der Erkrankung festgestellt werden. »Welche Patienten von den diagnostischen Möglichkeiten profitieren, wird von den behandelnden Ärzten sorgfältig geprüft«, betont Professor Lapa, für den das Zusammenspiel aller Disziplinen von großer Bedeutung ist.

WIR WOLLEN DIE RICHTIGE THERAPIE FÜR DEN RICHTIGEN PATIENTEN ZUM RICHTIGEN ZEITPUNKT
Prof. Dr. Constantin Lapa

Patienten mit Verdacht auf neuroendokrine Tumore oder Prostatakrebs profitieren bereits heute von den neuen Möglichkeiten der nuklearmedizinischen Diagnostik
im Universitätsklinikum Augsburg. Mit dem so genannten pSma Tracer kann bei Prostataauffälligkeiten in einer einzigen Untersuchung der gesamte Umfang der Erkrankung festgestellt werden. Der Befund der Prostata selbst wie auch der Zustand der Lymphknoten und mögliche Fernmetastasen werden während einer Untersuchung im Positronen-Emissions-Tomographen (PET) erfasst. Die Erkenntnisse könnten auch für Patienten mit Brustkrebs, Krebs der Bauchspeicheldrüse oder dem Glioblastom, einer bösartigen Tumorbildung im Gehirn, mehr Hoffnung bedeuten.

Weltweit wird an Techniken gearbeitet, die das Aufspüren, Analysieren und die Bekämpfung von Tumoren effektiver machen. Spartenübergreifend arbeiten Naturwissenschaftler zusammen um herauszufinden, wie Krebszellen biologische Abläufe neu programmieren; wie sie Bindegewebe umformen und nutzen. Diagnostik und Therapie werden immer enger verzahnt. »Theranostik« ist dafür das Stichwort. Hoher Nutzen bei geringen Nebenwirkungen ist das Ziel; das räumliche und zeitliche Aufspüren dynamischer Krankheitsentwicklung mithilfe neuester technischer Ausstattung. Als Teil des globalen Forschungsnetzwerks ist die Nuklearmedizinische Klinik am Universitätsklinikum Augsburg unmittelbar dabei, wenn neueste Erkenntnisse für Patienten entscheidende Therapieansätze bringen. »Wir wollen die richtige Therapie für den richtigen Patienten zum richtigen Zeitpunkt«, bringt Lapa die Bemühungen auf den Punkt. »Wir müssen die Tumorbiologie verstehen, um effektiv einzugreifen«. Radioaktive Moleküle können immer punktgenauer an Tumoren herangeführt
werden, um deren Zellen zu zerstören. So wird das den Tumor umgebende gesunde Gewebe geschützt. Präzisionsmedizin unter Einsatz von molekularer Bildgebung zur Darstellung der individuellen Tumorheterogenität und die Entwicklung exakt dosierter Radionuklidtherapien ist klares Ziel in Forschung und Behandlung. Schon heute profitieren davon am Universitätsklinikum die Patienten der 13-Betten Station der Klinik für Nuklearmedizin, Tendenz steigend.

WELTWEIT WIRD AN TECHNIKEN GEARBEITET, DIE DAS AUFSPÜREN, ANALYSIEREN UND DIE BEKÄMPFUNG VON TUMOREN EFFEKTIVER MACHEN.

Tracer: Spürhunde im Auftrag der Medizin

In den Blutkreislauf eingebracht werden winzige Mengen einer Substanz, die radioaktive Gammastrahlung sendet. Diese Substanz ist der Tracer, vom Englischen »to trace« für »suchen« oder »aufspüren«. Die Strahlungsbelastung ist dabei minimal. Die Verteilung der stoffwechselaktiven Substanz im Körper wird durch eine hochempfindliche Gammakamera (oder einen sogenannten PET-Scanner) aufgezeichnet und bildgebend dargestellt. So können Entzündungen und bösartige Veränderungen aufgespürt oder Informationen über Organfunktionen gesammelt werden.

Nuklearmediziner forschen im Kampf gegen den Krebs für ein besseres Verständnis der Krankheit und eine personalisierte Medizin.

Nuklearmedizin und Radiologie: Bei genauem Hinsehen unverwechselbar

Oft wird die Nuklearmedizin fälschlicherweise als Unterkategorie der Radiologie angesehen. Röntgen, Computertomographie und Kernspintomographie. Diese Verfahren kennen viele aus eigener Erfahrung. Sie zeigen Knochen und Gewebestrukturen, sind unverzichtbare Helfer sorgfältiger Diagnose. Für diese bildgebenden Verfahren wendet sich der Patient an einen Radiologen. Auch in der Nuklearmedizin begibt man sich auf die Suche nach Krankheitszeichen. Doch finden sich mit den Verfahren der Nuklearmedizin mehr als vorhandene anatomische Strukturen. Sie können die Funktion von Organen und Geweben darstellen und so krankhafte Veränderungen schon entdecken, wenn noch keine auf einem Röntgenbild oder einer computertomographischen Aufnahme sichtbaren Zeichen vorhanden sind. Nuklearmediziner nutzen zur Diagnose und Therapie radioaktive Substanzen unter hohen Schutzmaßnahmen. Wobei die Strahlenexposition bei den Untersuchungen meist nicht höher oder sogar geringer ist als bei häufig eingesetzten Verfahren der Radiologie.

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Klinik für Nuklearmedizin

Ihr Ansprechpartner steht Ihnen über unten stehende Kontaktdaten für Fragen zur Verfügung.

Prof. Dr. med. Constantin Lapa

Direktor der Klinik für Nuklearmedizin

Facharzt für Nuklearmedizin

Hinweis

Dieser Artikel erschien zu erst in der Ausgabe 3/2021 des Gesundheitsmagazins "GESUNDHEIT ganz groß". Die gesamte Ausgabe finden Sie als PDF-Datei zum nachlesen hier: Ausgabe 3/2021.