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Das Herz – Chef im Unternehmen Körper

Das gesunde Herz eines erwachsenen Menschen pumpt in Ruhe etwa fünf Liter pro Minute durch den Körper und das – je nach Lebenserwartung – 80 Jahre lang. Manchmal jedoch bringen Probleme den Motor zum Stocken, Stottern, Stolpern. Was sind die häufigsten Herz-Erkrankungen und was kann man dagegen tun – hier erklären wir es.

Einem Organ eine größere Bedeutung zuzuweisen als einem anderen, ist schwierig bis ungerechtfertigt. Denn der Organismus mit all seinen Bestandteilen – ob Zelle, Organ, Knochen, Muskel, Protein oder Blutplättchen – funktioniert nur im Zusammenspiel. Schließlich ist es auch nicht nur der Chef allein, der einem Unternehmen den Erfolg sichert, sondern das ganze Team. Aber es braucht eben auch den Chef – und das Herz ist vielleicht so etwas wie der Chef im Unternehmen Körper. Bestehend aus vielen wichtigen Einzelteilen wie rechter und linker Vorhof, den vier Herzklappen, zwei Herzkammern und einigen Hohlvenen sowie Aorta und Lungenarterie ist dieser Muskel dafür zuständig, sauerstoffarmes Blut in die Lunge zu pumpen, wo es mit Sauerstoff angereichert wird. Das nun sauerstoffreiche Blut wird vom Herzen in den Körperkreislauf gepumpt, wo es Organe, Muskeln und Gewebe mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. So weit, so gut. Doch auch der Chef kann gesundheitliche Probleme haben, angeborene oder erworbene. »Beim menschlichen Herz sind das im Wesentlichen vier große Bereiche«, sagt Prof. Dr. Evaldas Girdauskas, Direktor der Klinik für Herz-Thorax-Chirurgie am Universitätsklinikum Augsburg: »die Herzklappen-Erkrankungen, Durchblutungsstörungen des Herzens, Herz-Rhythmusstörungen sowie die Herz-Muskel- Erkrankungen.«

Die Herzklappen-Erkrankungen

Die vier Herzklappen – sie heißen Trikuspidal-, Pulmonal-, Mitral- und Aortenklappe – verschließen die Herzkammern und regeln den Blutfluss in die jeweils richtige Richtung. So verhindern sie auch, dass das Blut rückwärts gepumpt wird und zurück in die Vorhöfe fließt. Dabei ist die Aortenklappe der größten Belastung und dem höchsten Druck ausgesetzt, was sich in Bluthochdruck – einer Volkskrankheit – niederschlagen kann. Es ist die mit Abstand häufigste Herzklappen-Erkrankung, an der sowohl Männer wie Frauen gleichermaßen leiden. Durchschnittliches Alter der Patienten: 70 plus. »Die Taschen der Klappe vernarben und versteifen sich, werden dick, ein in der Regel langsam fortschreitender Prozess«, erklärt Girdauskas. Das Gewebe wird – lange Zeit von den Patienten unbemerkt – immer unbeweglicher. Das Ergebnis ist eine Aortenklappenstenose, die sich beim Patienten häufig in Form von Atemnot selbst bei leichter Belastung bemerkbar macht und ihn schließlich, häufig erst sehr spät, zwingt, zum Arzt zu gehen. Anders als bei den anderen Herzklappenerkrankungen ist bei der Aortenklappenstenose der Erhalt der Klappe nicht möglich, weshalb hier ein Klappen-Ersatz aus Kunststoff oder aus dem vom Rind beziehungsweise Schwein gewonnenen Material zum Einsatz kommt, der dem Patienten die alte Leistungsfähigkeit zurückgibt.

»Von 100 Patienten mit einem Aortenklappen- Problem leiden 10 bis 20 an einer Undichtigkeit der Aortenklappe, die von einer Bindegewebsschwäche herrührt oder ein angeborener Anlagedefekt ist«, sagt Girdauskas. Mit durchschnittlich 40 bis 50 Jahren sind diese Patienten auch deutlich jünger. Von vier Patienten sind durchschnittlich drei männlich und einer weiblich. Im Gegensatz zur Aortenklappenstenose versuchen wir in dem Fall, die Klappe, also das eigene Gewebe zu erhalten, was bei 70 bis 80 Prozent der Patienten mit entsprechender operativer Erfahrung auch gelingt. Auf dieses Thema hat sich die Klinik für Herz-Thorax- Chirurgie am Klinikum besonders spezialisiert. Bei der Mitralklappe ist die Stenose – zumindest in Nordamerika und Europa – eine Seltenheit und betrifft eher Menschen mit Migrationshintergrund aus dem afrikanischen, asiatischen oder südamerikanischen Raum. Wenn Patienten ein Problem mit der Mitralklappe haben, dann ist sie in den meisten Fällen undicht aufgrund von Verschleißerscheinungen oder einer Bindegewebsschwäche. Der 43-Jährige erklärt: »Auch in dem Fall versuchen wir immer, die Klappe zu erhalten. Die Rekonstruktionschancen sind hier mit über 90 Prozent noch einmal deutlich höher.« Von allen vier Klappen ist die Pulmonalklappe am seltensten von Erkrankungen betroffen.

Professor Girdauskas und sein Team bei einer minimalinvasiven Herzklappenoperation – ohne Brustkorböffnung.

DURCHBLUTUNGSSTÖRUNGEN SIND MIT ABSTAND DIE HÄUFIGSTE HERZERKRANKUNG.
Prof. Dr. Evaldas Girdauskas

Die Durchblutungsstörungen

»Durchblutungsstörungen sind mit Abstand die häufigste Herz-Erkrankung«, sagt Prof. Girdauskas. »Verengte Herzkranzgefäße verursachen Durchblutungsstörungen des Herzmuskels und führen häufig zum Herzinfarkt. Vorerkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck oder das metabolische Syndrom, aber auch Lebensgewohnheiten wie wenig Bewegung und Rauchen können Durchblutungsstörungen begünstigen. Betroffen sind Männer und Frauen, Männer ab 50 – 60 Jahren in der Regel ca. zehn Jahre früher als Frauen. Das klassische Symptom der Durchblutungsstörungen ist die Angina pectoris, die sich als ein drückender, brennender Schmerz hinter dem Brustbein Belastung ankündigt. »Durchblutungsstörungen können heutzutage gut durch eine sogenannte Katheterintervention beziehungsweise durch eine Bypass- Operation behandelt werden«, erklärt der Herzchirurg. Eine interdisziplinäre Konferenz mit Kollegen der Kardiologie berate, wie der Patient letztlich behandelt werde. »Auch, wenn wir die meisten Herz- Erkrankungen inzwischen gut behandeln können: Die Durchblutungsstörung ist, vor allem mit steigendem Alter, die häufigste Herz-Erkrankung und die häufigste Todesursache«, sagt Girdauskas. Sind die Verengungen weniger komplex, werden diese sehr erfolgreich durch die Katheterintervention behandelt. Eine etablierte Methode hierfür ist der Stent, mit dem die Arterie quasi aufgedehnt und offengehalten wird. Sind die Verengungen der Herzgefäße komplex und multipel, muss sich der Patient einer Bypass-Operation unterziehen. Die aber hat den Vorteil, dass der Bypass (insbesondere die körpereigenen Adern) in der Regel viele Jahrzehnte hält. »Der Patient hat eine lange symptomfreie Zeit vor sich und eine deutlich verbesserte Lebensqualität und Lebenserwartung«, erklärt Girdauskas. Als Sekundärprophylaxe sind Blutverdünner, Blutfettsenker und Blutdruckmedikamente nötig.

HERZ-MUSKEL-ERKRANKUNGEN KÖNNEN ANGEBOREN SEIN.
Prof. Dr. Evaldas Girdauskas

Die Herz-Muskel-Erkrankungen

»Herz-Muskel-Erkrankungen können angeboren beziehungsweise erworbensein wie nach einem großen Herzinfarkt, einer Herz-Muskelentzündung oder nach einem verschleppten grippalen Infekt«, sagt Girdauskas. So oder so, die Behandlung ist schwierig, da der Muskel nicht austauschbar oder rekonstruierbar ist. So bleibt häufig nur die medikamentöse Therapie, die die Erkrankung aber nicht ausbehandeln, sondern nur aufhalten kann. »Wenn die Medikamente nicht mehr wirken, sind die Herz-Transplantation bzw. ein Kunstherz die einzigen Optionen«, so Girdauskas. Aufgrund des vor allem in Deutschland herrschenden Organmangels fehlt es den Patienten häufig an der Zeit. Und auf die Warteliste zur Herztransplantation kommt der Patient auch nur dann, wenn er noch entsprechend jung ist und keine wesentlichen Nebenerkrankungen hat. Ganz hoffnungslos ist die Situation aber nicht, denn den Herzchirurgen steht noch das Kunstherz zur Verfügung. »Auch diese Therapie ist nicht ohne Risiken, denn durch die Fremdoberflächen im Körper besteht die Gefahr der Gerinnselbildung«, erklärt der Klinikchef. Zudem birgt die Stromversorgung mit Kabeln und Akku, die sich außerhalb des Körpers befinden, die Gefahr einer schweren Infektion. Das Fazit, das Girdauskas zu dieser Methode zieht, soll dennoch Hoffnung machen: »Mehr als die Hälfte der Patienten überleben die nächsten fünf Jahre und darüber hinaus.«

WENN DIE MEDIKAMENTE NICHT MEHR WIRKEN, SIND DIE HERZTRANSPLANTATION BZW. EIN KUNSTHERZ DIE EINZIGEN OPTIONEN.
Prof. Dr. Evaldas Girdauskas

Was der Motor fürs Auto ist, ist das Herz für den Körper – leistungsstark und äußerst komplex. Besonders wichtig dabei die vier Herzklappen, die dafür sorgen, dass die richtige Menge Blut in die richtige Richtung fließt: also in die Herzkammern hinein oder aus den Herzkammern heraus. Und das ab der 7. Schwangerschaftswoche, rund um die Uhr, Tag und Nacht, ein Leben lang. Normalerweise kein Problem, Herzklappen sind dafür gemacht. Manchmal jedoch kommen Menschen mit defekten Klappen zur Welt oder gesunde Klappen werden krank, entzünden sich, verkalken oder werden undicht. Und dann hat der Mensch ein Problem. Im 21. Jahrhundert jedoch eines, das zu bewältigen ist.

Heute besser als früher. Noch bis vor wenigen Jahren wurden Herzklappen häufig durch künstliche Klappen ersetzt. Am häufigsten geschah das mit der Aortenklappe. Lange Krankenhaus- und Rehabilitationsaufenthalte sowie die lebenslange Einnahme von Blutverdünnern waren die Folge, mit denen Betroffene zu leben hatten. Noch mehrere Wochen nach der OP mussten die Patienten mit den Auswirkungen und Folgen der vorausgegangenen Operation kämpfen. Heute geht man mehr und mehr dazu über, das patienteneigene Klappengewebe zu rekonstruieren. Prof. Dr. Evaldas Girdauskas hat erst vor kurzem die Klinik für Herz- und Thorax-Chirurgie am Universitätsklinikum Augsburg als Direktor übernommen und seit Januar dieses Jahres das minimalinvasive Herzklappen-Programm im Uniklinikum Augsburg eingeführt. Mehr als 50 Patienten haben inzwischen davon profitiert und den viel schonenderen Eingriff erhalten.

Mittels Endoskop und 3-D-Kamera arbeitet sich Girdauskas minimalinvasiv zum Herzen seines Patienten vor und repariert die Klappe chirurgisch, bis sie ihre ursprüngliche Form wiedergewonnen hat und ihren Job als einer von vier Türstehern, nämlich das Blut kontrolliert ein- oder auszulassen, wieder übernimmt. »Natürlich können wir den Klappenerhalt nicht für jeden Patienten garantieren«, erklärt Girdauskas. »Aber wenn wir die Klappe erhalten können, ist dies einem Austausch immer vorzuziehen«, so der Herzchirurg. Eine künstliche Klappe hat eine deutlich begrenzte Lebensdauer und ist mit vielen Komplikationen verbunden, die natürliche gut reparierte Herzklappe hält ein Leben lang. »Mit der körpereigenen gut rekonstruierten Herzklappe ist die Langlebigkeit des Gewebes zu 100 Prozent gegeben, blutverdünnende Medikamente sind nicht nötig«, erklärt Girdauskas. Vor allem für junge Patienten unter 60 Jahren ist dies die besonders vorteilhafte Methode.

Es geht allerdings heutzutage noch um viel mehr: diese Patienten durchlaufen ein innovatives Versorgungsmodell rund um die Operation. Denn: Die Extubation, die Entfernung des Beatmungsschlauches, geschieht noch im OP-Saal. Drei Stunden nach dem Eingriff beginnt die Physiotherapie am Bettenrand auf der Überwachungsstation. Am 3. oder 4. Tag wird der Patient nach Hause oder in die Rehabilitation entlassen. ERAS heißt das in der Fachsprache, es steht für enhanced recovery after surgery, was so viel heißt wie verbesserte Genesung nach der Operation. ERAS kommt zum Einsatz, wenn sich Patienten größeren chirurgischen Eingriffen unterziehen müssen. »Durch die sehr frühzeitige und intensive Mobilisierung durch Physiotherapie können wir die Patienten nach Herzoperation zügig wieder in ihr normales Leben entlassen, die Menschen sind schneller wieder arbeitsfähig«, sagt Girdauskas.

Der 42-Jährige, dessen Heimat in Litauen ist und der in Kaunas und Leipzig Medizin studiert und anschließend an der Uniklinik Hamburg-Eppendorf gearbeitet hat, hat ERAS in Hamburg entwickelt, ein vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) mit fünf Millionen Euro über die nächsten vier Jahre gefördertes Innovationsfond- Projekt. »Hier in der Region sind wir mit diesem intersektoralen Versorgungsmodell Vorreiter«, so der Herzspezialist. Niedergelassene Kardiologen sollen in diesem  innovativen Modell ebenso eine Rolle spielen wie Reha-Einrichtungen. Das Wichtigste aber für Girdauskas: »Wir berücksichtigen so frühzeitig die Ziele, die der Patient selbst für sich formuliert hat.«

Mittels Endoskop und 3D-Kamera arbeitet sich Professor Girdauskas zum Herzen seines Patienten vor und repariert die Klappe so schonend wie möglich.

Mehr zur Herzklappen-Chirurgie in unserer TV-Sendung »Am Puls«

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Prof. Dr. med. Evaldas Girdauskas

Direktor der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie

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Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie

Hinweis

Dieser Artikel erschien zu erst in der Ausgabe 2/2021 des Gesundheitsmagazins "GESUNDHEIT ganz groß". Die gesamte Ausgabe finden Sie als PDF-Datei zum nachlesen hier: Ausgabe 2/2021.