Die stille Gefahr – Leben und Überleben mit Bluthochdruck

Er kommt auf leisen Sohlen. Und kann großen Schaden anrichten. Bluthochdruck gilt mittlerweile als Volkskrankheit. Wer rechtzeitig reagiert, kann damit leben.

Irgendetwas, das spürte Anton W., stimmt da nicht. Kopfschmerzen am Morgen, dazu Ohrensausen. Beim Treppensteigen geriet er unerwartet früh außer Atem. Gründe genug, den Hausarzt aufzusuchen. Dessen Diagnose kam knapp in zwei Zahlen daher: 160 zu 100 lautete das Fazit einer ersten Messung. Und das bedeutet schlichtweg Hypertonie, im Volksmund auch Bluthochdruck genannt. Hypertonie gehört für Dr. Thomas Pusl, Oberarzt und Leiter des Funktionsbereichs Endokrinologie und Stoffwechsel an der I. Medizinischen Klink des Augsburger Universitätsklinikums, zum Berufsalltag. »Bluthochdruck kann heute als Volkskrankheit bezeichnet werden«, erläutert der Privatdozent. »Die meisten Menschen mit Bluthochdruck«, so fügt er hinzu, »weisen aber keine typischen Symptome auf, so dass der erhöhte Gefäßdruck oft lange Zeit unbemerkt bleibt.« Was sich da still und leise anschleicht, kann zu erheblichen Schäden führen – anderer- seits jedoch bei frühzeitiger Therapie glimpflich verlaufen.

BLUTHOCHDRUCK IST DER WICHTIGSTE RISIKOFAKTOR FÜR DAS AUFTRETEN EINES SCHLAGANFALLS.
Dr. Thomas Pusl

Zwei Zahlen – eine Diagnose. 160 zu 100 (mmHg) steht für zwei Werte, mit denen der Blutdruck, der im Inneren der Gefäße herrscht, ermittelt wird. Der obere Messwert zeigt den sogenannten systolischen Druck an, mit dem das Blut aus der linken Herzkammer gepumpt wird. Als Pendant agiert der diastolische Druck, der den niedrigsten Wert während der Entspannungsphase des Herzmuskels darstellt. Liegen diese Werte bei mindestens drei Messungen an zwei verschiedenen Tagen über 140 zu 90 oder bei einer 24-Stunden-Blutdruckmessung über 130 zu 80 sprechen die Ärzte, wie im Falle von Anton W., von arterieller Hypertonie, kurzum Bluthochdruck.

Warum Bluthochdruck behandelt werden muss

Doch warum ist diese häufig nur diskret auftretende Krankheit so gefährlich? »Bluthochdruck«, so fasst es Dr. Thomas Pusl kurz zusammen, »ist der wichtigste Risikofaktor für das Auftreten eines Schlaganfalls.« Menschen mit hohem Blutdruck haben ein siebenfach höheres Schlaganfall-Risiko als Zeitgenossen mit normalen Werten. Doch damit nicht genug: Auch für einen Herzinfarkt zeichnet in vielen Fällen Bluthochdruck verantwortlich. Auch hier liegt das Risiko drei Mal höher als bei Vergleichsgruppen. »Was viele Menschen zudem nicht wissen«, erläutert der seit 2010 in Augsburg tätige Oberarzt, »Bluthochdruck und Nierenerkrankungen bedingen sich gegenseitig: Zum einen können Nierenerkrankungen zu hohem Blutdruck führen, umgekehrt führt ein hoher Blutdruck häufig zu Gefäßveränderungen in den Nieren und ist somit für eine Niereninsuffizienz verantwortlich.«
Die stille Gefahr Hypertonie ist größer als viele denken. Dass sie als Volkskrankheit eingestuft und von der Weltgesundheits- organisation (WHO) im Jahr 2010 zur größten globalen Gesundheitsgefahr erklärt wurde, hat neben ihrer Wirkung auch mit ihrer Verbreitung zu tun. Zwei Drittel aller Menschen ab 65 Jahren, so das Robert- Koch-Institut, sind davon betroffen.
Jeder dritte Erwachsene in Deutschland verzeichnet erhöhte Werte. »Aber auch Kinder und Jugendliche können betroffen sein«, erläutert Thomas Pusl.

BLUTHOCHDRUCK IST MEISTENS EINE LEBENSLANGE KRANKHEIT, ABER BEHANDELT UND GUT EINGESTELLT VERRINGERT SICH DAS RISIKO FÜR LEBENSBEDROHLICHE KOMPLIKATIONEN UND DIE STERBLICHKEIT ERHEBLICH.
Dr. Thomas Pusl
Blutdruck-Normalwert-Tabelle WHO in mmHg

Was ist normal, ab wann besteht Bluthochdruck?

Ursache ist häufig der moderne Lebensstil

Wer nach den Gründen der Krankheit sucht, nähert sich auch ersten Möglichkeiten der Therapie. Denn obwohl die Ursachen der sogenannten primären Hypertonie, die ohne erkennbare Krankheit auftritt und rund 90 Prozent der Fälle ausmacht, unbekannt sind, verweisen Experten wie Privatdozent Dr. Pusl auch auf den persönlichen Lebensstil.

Kurz gesagt: Wir essen, trinken und arbeiten zu viel und bewegen uns zu wenig! »Übergewicht«, so Pusl, »ist tatsächlich ein sprichwörtlich gewichtiger Faktor für die Entstehung hohen Blutdruckes.«
Zu viel Alkohol und zu viel Salz spielen ebenfalls eine Rolle. Stress und Schlafmangel bei zu wenig Bewegung tragen dazu bei, dass die Werte bei der Blutdruckmessung steigen. Wer also dem Blutdruck schon im Vorfeld den Kampf ansagen will, sollte seinen Lebensstil ändern und auf gesunde Ernährung und regelmäßige körperliche Betätigung setzen, auf Nikotin verzichten und den Konsum von Alkohol und Kochsalz einschränken.

Aber, auch das gehört zum Thema: »Bluthochdruck ist in aller Regel nicht heilbar, sondern meistens eine lebenslange Krankheit«, erläutert Dr. Thomas Pusl. »Aber«, so fügt er hinzu: »Behandelt und gut eingestellt verringert sich das Risiko für lebensbedrohliche Komplikationen und die Sterblichkeit erheblich.« Gesenkt wird der Blutdruck in der Regel mit Medika- menten. Hier stehen gleich fünf Gruppen von blutdrucksenkenden Arzneimitteln zur Verfügung. Individuell und häufig kombiniert eingesetzt, tragen sie dazu bei, den Blutdruck dauerhaft und möglichst ohne Nebenwirkungen auf ein Normalmaß zu senken. Aber – und darauf weist der Endokrinologe hin: Wer bei seinen Blutdruckmessungen gute Werte erzielt, sollte eines nicht machen – jetzt die Medikamente absetzen. Denn ohne sie, so das Fazit des Mediziners, steigt der Blutdruck in aller Regel wieder. Sollte sich jedoch im anderen Fall trotz des Einsatzes von drei Mitteln keine Besserung zeigen, kann auch der Weg ins Klinikum zu Spezialisten wie Dr. Thomas Pusl hilfreich sein. Anlaufstelle und Ansprechpartner für Patienten und ihre Hausärzte ist die Hochschulambulanz.

Wenn der weiße Kittel Druck macht

Schon gewusst?

Wenn der weiße Kittel Druck macht

Das Phänomen trägt einen einprägsamen Namen: Weißkittelhochdruck. Es kommt immer wieder vor, dass Patienten bei der Blutdruckmessung in der Arztpraxis höhere Werte aufweisen als Zuhause. Ängste vor dem weißen Kittel des Mediziners und seiner Helfer lassen offenbar die Blutdruckwerte steigen. Die Folge kann dann eine Fehldiagnose sein. Aber auch das Gegenteil ist möglich. Bei der maskierten Hypertonie (auch »Praxisnormotonie« genannt) misst der Arzt normale Werte, während Selbstmessungen weit höhere Angaben ermitteln. In beiden Fällen schafft eine ambulante Langzeitblutdruckmessung über 24 Stunden Klarheit.

Blutdruck selbst messen – aber richtig

Selbst den Blutdruck zu messen, ist nicht schwer, wenn, darauf weist die Deutsche Hochdruck-Liga hin, die nachfolgenden Regeln beachtet werden:
Immer zur gleichen Zeit morgens und abends messen. Morgens vor der Einnahme blutdrucksenkender Mittel, damit auch der Blutdruck in den frühen Morgenstunden erfasst wird. Ein zu häufiges Messen hintereinander verfälscht die Werte. Viele Geräte messen, ohne dass man es merkt, mehrfach hintereinander. Ansonsten den Blutdruck zweimal in Folge mit einer Pause von ein bis zwei Minuten messen. Meist liegt der Wert der zweiten Messung niedriger. Diesen sollte man notieren.
Vor der Messung fünf Minuten zur Ruhe kommen. Körperliche Aktivitäten vor der Messung vermeiden, sonst die Entspannungsphase verlängern. Falls möglich, entspannt auf einem Stuhl sitzend und an die Stuhllehne angelehnt messen. Den zu messenden Arm auf den Tisch legen. Die Füße nebeneinander aufstellen. Dadurch vermeidet man die Anspannung der Muskulatur. Beim Messen nicht bewegen, reden oder durch Musik ablenken lassen. Die Blutdruckmanschette muss sich auf Herzhöhe befinden. Darauf sollte vor allem bei Handgelenksgeräten geachtet werden. Die Manschette der Oberarmgeräte liegt in der Regel bereits automatisch auf Herzhöhe. Die Messergebnisse sollten mit Datum und Uhrzeit im Blutdruckpass graphisch dokumentiert werden, falls kein digitaler Datenspeicher vorhanden ist. Das stellt sicher, dass der Arzt sich schnell einen Überblick über Ihre Werte machen kann.

Da sich der Blutdruck über den Tagesverlauf ständig ändert, ist es wichtig, ihn über einen längeren Zeitraum immer zur selben Zeit zu messen. Erst dann ist die Blutdruckselbstmessung sinnvoll. Viele im Handel erhältliche Blutdruckmessgeräte liefern nur unzuverlässige Werte. Die Deutsche Hochdruckliga überprüft regelmäßig auf Antrag der Gerätehersteller Blutdruckmessgeräte und verleiht ein Prüfsiegel für die Messgenauigkeit.

Weitere Informationen unter: 
www.hochdruckliga.de

Medikamente

Medikamente

Die derzeit verfügbaren und am häufigsten eingesetzten Arzneimittelwirkstoffe zur Senkung des Blutdrucks sind in fünf Gruppen eingeteilt:

ACE-Hemmer (Captopril, Lisinopril, Ena- lapril, Ramipril und andere mit der Endung »-pril«) senken den Blutdruck, weil sie die Bildung des stark gefäßverengenden Hormons Angiotensin verringern. Ähnlich wirken Sartane (Losartan, Valsartan, Candesartan und andere mit der Endung »-sartan«), die meist eingesetzt werden, wenn ACE-Hemmer nicht vertragen werden.

Diuretika (Hydrochlorothiazid, Xipamid, Indapamid, zum Teil auch in Kombination mit Amilorid oder Triamteren) erhöhen die Salzausscheidung über die Nieren und werden in der Regel in Kombination mit ACE-Hemmern oder Sartanen eingestellt.

Kalziumantagonisten (Nifedipin, Nitrendipin, Felodipin und andere mit der Endung »-dipin«) erweitern die Blutgefäße und senken dadurch den Blutdruck.

Betablocker (Propranolol, Metoprolol, Bisoprolol und andere mit der Endung »-olol«) schirmen das Herz vor den Wirkungen des Stresshormons Adrenalin ab.

Aldosteron-Antagonisten verhindern, dass sich das Hormon Aldosteron an Andockstellen in den Zellen der Nierenkanälchen binden kann.

Sie haben Fragen?

Ihr/e Ansprechpartner/in steht Ihnen über unten stehende Kontaktdaten für Fragen zur Verfügung.

Priv.-Doz. Dr. med. Thomas Pusl

Oberarzt
Leiter Funktionsbereich Endokrinologie und Stoffwechsel

Internist, Endokrinologe und Diabetologe, Gastroenterologe, Zusatzqualifikationen Hypertensiologe (DHL), Lipidologe (DGFF)

Spezielle Endokrinologie, Fettstoffwechselstörungen, Hypertonie
E-Mail: thomas.pusl@uk-augsburg.de

Hinweis

Dieser Artikel erschien zu erst in der Ausgabe 4/2020 des Gesundheitsmagazins "GESUNDHEIT ganz groß". Die gesamte Ausgabe finden Sie als PDF-Datei zum nachlesen hier: Ausgabe 4/2020.