
Medizinwissen
Ursachen und Symptome von Erkrankungen, Diagnostik- und Therapiemöglichkeiten:
Hier erhalten Sie laienverständliche allgemeine Informationen zu ausgewählten Krankheitsbildern, die in unserer Klinik behandelt werden. Konkrete Informationen zu unserem Leistungsspektrum erhalten Sie hier.
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Neurokardiogene Synkope
Hintergrund
Kurzfristige Bewusstlosigkeiten, die von selbst aufhören, werden Synkopen genannt. Ursachen von Synkopen sind vielfältig. Es können lebensbedrohliche Gründe vorliegen, wie Herzrhythmusstörungen mit zu langsamem oder zu schnellem Pulsschlag bis hin zu einem kurzfristigen Kreis lauf still stand. Derartige Ursachen finden sich zumeist bei Menschen mit einer zugrundeliegenden Herzerkrankung.
Die häufigste Form einer Synkope stellt jedoch die harmlose »banale Ohnmacht« nach längerem Stehen oder Sitzen dar. Das klassische, je dem vertraute Bild hierzu ist der englische Gardeoffizier, der nach längerem Stehen plötzlich bewusstlos umfällt, um nach wenigen Sekunden im Liegen wieder aufzuwachen.
Um im Stehen einen ausreichenden Blutdruck zur Versorgung der Körperorgane (u.a. des Gehirns mit Erhalt des Bewusstseins) zu gewährleisten, werden durch das sympathische Nervensystem die Gefäße etwas enger gestellt und der Pulsschlag etwas beschleunigt. Diese normale Kreislaufreaktion im Stehen wird nun bei diesbezüglich empfindlichen Menschen nach üblicherweise einer längeren Stehzeit von 10-20 Minuten plötzlich unterbrochen. Wahrscheinlichster Grund hierfür ist eine starke Reizung eines überempfindlichen »Druckabnehmers« in der linken Herzkammer durch das sympathische Nervensystem. Folge ist eine sogenannte vasovagale Reaktion: die Aktivität des sympathischen Nervensystems wird unterbrochen, das parasympathische Nervensystem aktiviert. Dies führt zu plötzlicher Weitstellung der Blutgefäße und meistens auch zu Abfall der Pulsfrequenz mit der Folge eines drastischen Blutdruckabfalls mit Minderdurchblutung des Gehirns, Eintritt der Bewusstlosigkeit und Hinstürzen. Im Liegen tritt rasche Erholung ein mit Ansteigen des Blutdrucks und Wiedererlangen des Bewusstseins. Es handelt sich somit nicht um eine Erkrankung, sondern um eine eigentlich harmlose Kreislaufregulationsstörung. Diese kann jedoch, insbesondere bei raschem Einsetzen, fatale Verletzungs oder Unfallfolgen haben. Neben längerem Stehen oder Sitzen (z.B. während Autofahren, nach dem Essen) kann eine solche vasovagale Reaktion auch andere, jedem bekannte Auslöser haben wie Schmerz (z.B. Bewusstlosigkeit bei Blutabnahme), Schreck, Freude, Husten, Schlucken kalter Getränke, aber auch, bei Männern, nach Wasserlassen im Stehen.
Beschwerdebild
Auf Befragen würde der Gardeoffizier angeben, er habe vor Eintreten der Bewusstlosigkeit für ca. 3060 Sekunden zunächst ein flaues Gefühl gehabt, Benommenheit, unscharfes Sehen und Übelkeit seien eingetreten, kalter Schweiß sei ihm ausgebrochen, ab da könne er sich an nichts mehr erinnern. Er sei im Liegen wieder wach geworden und habe sich rasch deutlich besser gefühlt.
Diese Warnsignale treten bei den meisten, leider jedoch nicht bei allen Menschen auf.
Verhalten bei Einsetzen der Warnsignale
Neben Verhütung spielt das richtige Verhalten bei Einsetzen von Warnsignalen eine wichtige Rolle. Sobald im Stehen (oder Sitzen) Beschwerden wie Benommenheit, Übelkeit, unscharfes Sehen, kalter Schweiss ausbruch auftreten, führen Sie bitte folgende Maßnahmen durch:
- Am besten wäre sofortiges Hinlegen. Falls nicht möglich:
- Verschränken Sie Ihre Hände ineinander (»FingerhakelStellung«) und versuchen Sie, sie mit beiden Armen auseinander zu ziehen. Dies führt zu einem raschen »Reaktivieren« des sympathischen Nervensystems und verhütet einen weiteren Blutdruckabfall, und damit das Einsetzen der Bewusstlosigkeit.
- Überkreuzen Sie Ihre Beine, pressen sie aneinander, spannen Sie zusätzlich die Gesäß- und Bauchmuskulatur an. Auch dies verhindert einen weiteren Blutdruckabfall.
Diagnostik
Häufig kann die Diagnose einer banalen Ohnmacht bereits aus den Angaben des Patienten oder anwesender Zeugen gestellt werden, wie dies bei dem Beispiel des Gardeoffiziers der Fall wäre. Bleibt eine Unsicherheit, hat sich als gute Untersuchungsmethode der sogenannte Kipptisch erwiesen. Hierbei wird das auslösende Stehmanöver als Provokation »nach gestellt«. Üblicherweise wird eine zugrundeliegende Herzerkrankung mittels EKG, BelastungsEKG, LangzeitEKG und Herzultraschall ausgeschlossen.
Vorbeugende Allgemeinmaßnahmen
- Vermeiden Sie längeres Stehen, insbesondere in überfüllten, stickigen Räumen, bei Übermüdung oder Überarbeitung.
- Stehen Sie langsam, nicht abrupt auf. Ist längeres Stehen unvermeidlich, Überkreuzen sie die Beine und Pressen Sie sie aneinander, »Krallen« Sie die Füße in den Schuhen zur Aktivierung der Muskelpumpe der Waden mus kulatur, spannen Sie hin und wieder die Gesäß- und Bauchmuskeln an.
- Achten Sie auf ausreichende tägliche Flüssigkeitszufuhr von mindestens 2 Litern.
- Meiden Sie Alkohol, er wirkt gefäßerweiternd.
- Das Tragen von Stützstrümpfen ist empfehlenswert.
Stehtraining
Eine effektive Verhütungsmassnahme stellt das Stehtraining dar. Es soll zur »Desensibilisierung« des überempfindlichen Druckabnehmers führen durch vorsichtige Provokation der Auslösesituation. Stehtraining ist effektiv und verhütet künftige Bewusstlosigkeiten meist vollständig, wenn es regelmäßig durchgeführt wird. Gehen Sie bitte folgendermassen vor:
- Polstern Sie den Boden mit Decken etc. für den Fall einereintretenden Bewusstlosigkeit mit Sturz.
- Beginnen Sie mit 2 x 5 Minuten täglich, steigern Sie die Stehzeit alle 3 Tage um jeweils 5 Minuten auf maximal 2 x 40 Minuten täglich. Reduzieren Sie die Stehzeit bei Auftreten von Warnsignalen.
- Tägliches zweimaliges Durchführen dieses zugegebenermaßen »langweiligen« Stehtrainings von jeweils 40 Minuten verhütet künftige Bewusstlosigkeiten. Ein Trost: Sie dürfen Lesen, Musik hören, Fernsehschauen etc.
Stents der Herzkranzgefäße
Sinn und Nutzen.
Aufgrund einer oder mehrerer hochgradiger Engstellen im Herzkranzgefäßsystem wurde(n) bei Ihnen ein oder mehrere Stents (Drahtgeflechte, benannt nach dem engl. Arzt Charles Stent) eingesetzt. Durch Stents kann die aufgedehnte Engstelle stabilisiert werden, ein rasches erneutes Zusammenfallen der Aufdehnungsstelle wird verhütet. Stents stellen einen großen Fortschritt in der Behandlungsmöglichkeit der Herzkranzgefäß-Arteriosklerose dar. Sie haben Aufdehnungseingriffe sehr sicher gemacht und Langzeitergebnisse deutlich verbessert.
Stentthrombose.
Allerdings stellt der Stent für das Herzkranzgefäß zunächst einen Fremdkörper dar. Durch direkten Kontakt zwischen den Edelstahlmaschen des Stents und dem vorbeiströmenden Blut werden Blutplättchen aktiviert und könnten zu einer Gerinnselbildung mit akutem Gefäßverschluss führen (Stentthrombose). Um dies zu verhindern, muss jeder Patient lebenslang Aspirin einnehmen, zusätzlich für eine bestimmte Zeit Clopidogrel (ein aspirinähnliches, zweites plättchenhemmendes Medikament, Handelsname Plavix oder Iscover) oder Prasugrel (Handelsname Efient) oder Ticagrelor (Handelsname Brilique). Die Einnahmedauer dieses zweiten Plättchenhemmers ist abhängig von der Art des Stents (unbeschichtet oder beschichtet) und von der Krankheitsphase (akuter Herzinfarkt incl. Vorstufen oder sog. stabile Angina pectoris). Die für Sie empfohlene Einnahmedauer ist unten angekreuzt. Bitte setzen Sie keinesfalls Aspirin oder Clopidogrel/Prasugrel/Ticagrelor ab. Dies kann zum Herzinfarkt führen durch akuten Gefäßverschluss infolge Gerinnselbildung innerhalb des Stents.
Wiederverengung (Restenose).
Stents können selten die Gefäßwand „reizen“ und zu einer überschießenden „Wundheilung“ der Aufdehnungsstelle führen. Die Arteriosklerose wächst dann erneut durch die Drahtgeflechtmaschen hindurch („das Unkraut wächst durch den Zaun“) und führt zu einer Wiederverengung des Gefäßes, der sog. Restenose. Die Häufigkeit einer Wiederverengung hängt von vielen Faktoren ab, sie ist z.B. höher bei sehr kleinem Gefäßdurchmesser, sehr großer Stentlänge, Stenteinbau in Gefäßaufzweigungsstellen, in Bypassgefäße etc. Auch Diabetiker haben ein höheres Wiederverengungsrisiko. Zur Verhütung der Wiederverengung wurden Stents entwickelt, die eine Beschichtung mit einem gewebewachstumshemmenden Medikament (Immunsuppressivum oder Zytostatikum) haben, das über mehrere Wochen in die umgebende Gefäßwand freigesetzt wird. Hierduch wird die Wiederverengungshäufigkeit auf weniger als die Hälfte gesenkt. Sie liegt im Durchschnitt bei modernen unbeschichteten Stents (bare metal stents, BMS) um 10%, bei modernen beschichteten Stents (drug eluting stents, DES) bei 5%. Die Zellwachstumshemmmung der beschichteten Stents hat allerdings den kleinen Nachteil, dass auch die eigentlich erwünschte und bei unbeschichteten Stents meist stattfindende Auskleidung mit der Gefäßinnenhaut (Endothel) für längere Zeit weitgehend ausbleibt. Die Drahtmaschen bleiben auf diese Weise ohne „Tapetenüberzug“ in Kontakt mit dem Blut. Dies erklärt die etwas höhere Rate von Gerinnselbildungen (Stentthrombosen) bei beschichteten Stents. Aus diesem Grunde muss Clopidogrel oder Prasugrel oder Ticagrelor länger eingenommen werden als bei unbeschichteten Stents.